Gäufelden Nebringen l Auferstehung Christi
Gäufelden Nebringen l Auferstehung Christi1994
Architekt Wolfgang Liese-Grässer wagte es, ein Zeichen zu setzen. Sein im ursprünglichen Wortsinn aus der Umgebung herausragender
Bau macht „die Kirche weithin sichtbar und wertet den Ort Nebringen optisch auf “.
Unter Verwerfung der Prinzipien simpler Orthogonalität und mittels der vielseitigen Verwendung polygonaler Strukturen gelang ein von
außen wie von innen gleichermaßen eindrucksvoller, höchst dynamisch wirkender Baukörper. Architektur wird hier ganz offensichtlich von
ihrem kreativen, raumschöpferischen Ansatz her wahrgenommen. Das kühn entworfene Dach - dreieckig, im Westen spitz anhebend, nach
Osten hin sich rasch ausdehnend, steil ansteigend, seitlich und vor allem über den Chorraum weit hinauskragend - vermittelt unabweislich
die Vorstellung des Aufstrebenden, des Übersteigenden, des Überragenden, womit wir eine ganze Reihe von Übersetzungen für
Transzendieren genannt hätten.
Was städtebaulich und architektonisch hier verwirklicht wurde, harmoniert unter inhaltlicher Betrachtung mit dem Titel des neuen
Gotteshauses als „Auferstehungskirche‘. Der Bau selbst macht mit seiner kraftvollen Bewegung Aufstieg, Aufstehen, Auferstehung
offenbar, will im unmittelbaren Sinne „Auferstehungskirche‘ sein.
Zusätzliche aussagekräftige Dichte erhält der Bau durch die großzügige Verglasung. Der Maler Albrecht Pfister (Waiblingen-Beinstein, der
Glasgestaltung bei H.G. von Stockhausen studiert hat, greift gleichermaßen energisch wie der Architekt den Auferstehungsgedanken auf,
um ihn ins Bild zu setzen. Da wölben sich aus finsterem Schwarz heraus, in lichteres Blau übergehend, konkav die Bodenplatten, geraten in
einen Sog nach oben führenden Lichtes. Albrecht Pfister operiert mit der ganzen Palette unterschiedlicher Transparenz, die
Glasbearbeitung zulässt, um die Stufungen des Durchscheinens wahrnehmbar zu machen. Neben farbigen Gläsern benutzt er
sandstrahlbearbeitetes Glas, luftschlierenreiches mundgeblasenes und dazu noch völlig klares Glas. Der Weg zunehmender Transparenz
geht von unten nach oben. Über die Flächen klaren Glases scheint die jeweilige Lichtsituation, das Bild des Himmels im Wechsel von Tag-
und Jahreszeiten sowie der Wetterlage herein in das Innere. Über das vitale interne Wechselspiel von Architektur und Glasmalerei hinaus
vermittelt der Kirchenraum sogar ein bewusstes Erlebnis der umliegenden Natur, die in ihrer Erhabenheit erfahrbar wird.
Wolfgang Urban das münster 1/1995